Frage eines unserer Mitglieder, das für die Vorbereitung auf die eidgenössische Prüfung zum Finanz- und Rechnungswesen-Spezialisten angemeldet ist.
Frage
Guten Tag,
Ich hätte eine Frage zu Frage 1 und Frage 3.
In Frage 1 wird die Mehrwertsteuer von einem Nicht-Steuerpflichtigen zurückgefordert, und in Frage 3 ist sie für den gebrauchten Lastwagen von einem Nicht-Steuerpflichtigen nicht rückforderbar. Liegt das am Artikel 28 MWSTG oder ist es eine Ausnahme für Sammlungsbilder?
In diesem Fall, Frage 1, müssen wir nur die CHF 60’000 unter Rubrik 200 deklarieren und nichts anderes?
Antwort unseres Mehrwertsteuerexperten: Olivier Néméti
Guten Tag Herr XXX,
Ich beziehe mich auf Ihre heutigen Mehrwertsteuerfragen. Gerne beantworte ich diese wie folgt.
Zunächst können die beiden genannten Fälle (Frage 1 und Frage 3) nicht verglichen werden, da es sich um zwei unterschiedliche, voneinander unabhängige Mehrwertsteuerproblematiken handelt, die in diesen beiden Fragen behandelt werden:
- Frage 1: Ein Bild wird gekauft, dann wird das Bild weiterverkauft (Mehrwertsteuerproblematik der «Margenbesteuerung») – es handelt sich um dasselbe Objekt
- Frage 3: Ein Bagger wird verkauft und ein Lastwagen gekauft (Mehrwertsteuerproblematik der „Kompensationsgeschäfte“): Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Objekte
Anschliessend, um Ihre Fragen im Einzelnen zu beantworten:
FRAGE 1: Die Margenbesteuerung ist eine Mehrwertsteuerspezialität, deren Funktionsweise bezüglich der Berechnung der Mehrwertsteuer wie folgt ist: Der Steuerpflichtige, der Sammlerstücke wie Kunstgegenstände, Antiquitäten oder ähnliche Gegenstände erworben hat, kann beim Weiterverkauf den Einkaufspreis vom Verkaufspreis abziehen, sofern er die auf dem Einkaufspreis lastende Vorsteuer nicht abgezogen hat (Margenbesteuerung).
Folglich hat das Freiburger Unternehmen nicht das Recht, nur den Ausgleichsbetrag von CHF 10’000.- (=MARGE) der Mehrwertsteuer zu unterstellen, da die Vorsteuer beim Kauf des Bildes abgezogen wurde (in der Angabe zu Frage 1 ist vermerkt, dass das Freiburger Unternehmen die Vorsteuer abgezogen hat: Das Unternehmen hat wahrscheinlich die fiktive Vorsteuer bei diesem Kauf von einem Nicht-Steuerpflichtigen abgezogen – Artikel 28a MWSTG, da es sich um ein klar identifizierbares bewegliches Gut handelt).
Um die Margenbesteuerung anzuwenden, müssen ausserdem die folgenden 2 Bedingungen erfüllt sein:
1) Die Vorsteuer darf beim Kauf nicht zurückgefordert worden sein
2) Es muss sich tatsächlich um ein Sammlerstück handeln, z.B. ein Bild (Artikel 48a MWSTV)
Wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, dann:
- Der Betrag von CHF 60’000.- wird als Umsatz (Feld 200 der MWST-Abrechnung) deklariert.
- Der Kauf von CHF 50’000.- wird abgezogen (Feld 280 der MWST-Abrechnung).
Folge: Die Mehrwertsteuer wird auf der MARGE von CHF 10’000.- bezahlt.
Sind diese beiden Bedingungen nicht erfüllt, muss das Freiburger Unternehmen die Mehrwertsteuer zwingend auf den Verkaufsbetrag von CHF 60’000.- bezahlen!
Die Vorsteuer kann jedoch beim Kauf zurückgefordert werden (Feld 400 oder 410, je nach Verwendung durch das Unternehmen).
Um auf die Übung zurückzukommen: Es wird präzisiert, dass die Vorsteuer zurückgefordert wurde, daher ist die Margenbesteuerung nicht möglich. Des Weiteren wird nicht präzisiert, ob es sich um ein Sammlungsbild handelt oder nicht. Folglich ist die Margenbesteuerung nicht zulässig!
FRAGE 3: In diesem speziellen Fall handelt es sich um zwei völlig getrennte Vorgänge: den Kauf eines Lastwagens und den Verkauf eines Baggers. Es handelt sich nicht um den Kauf und Weiterverkauf eines Lastwagens oder den Kauf und Weiterverkauf eines Baggers (Kauf und Verkauf desselben Objekts), was auf ein Problem mit der fiktiven Vorsteuer hindeuten könnte.
Es geht jedoch in Frage 3 darum, die Mehrwertsteuerproblematik von Gegen- oder Kompensationsgeschäften zu behandeln, bei denen allzu oft nur der Ausgleichsbetrag (=Differenz zwischen Verkaufspreis des Baggers ./. Einkaufspreis des Lastwagens der Mehrwertsteuer unterliegt!) fälschlicherweise der Mehrwertsteuer unterliegt. In diesem speziellen Fall sind buchhalterisch und aus Mehrwertsteuersicht zwei getrennte Vorgänge wie folgt zu erfassen:
1) Verkauf eines Baggers für CHF 20’000.-, unterliegt 7,7% Mehrwertsteuer (Feld 200 MWST-Abrechnung)
2) Kauf eines Lastwagens für CHF 15’000.- (Rechnung ohne Mehrwertsteuer)
Wenn in den Angaben dieser Übung nichts bezüglich der fiktiven Vorsteuer präzisiert wird oder keine Andeutung darauf gemacht wird, muss davon ausgegangen werden, dass es sich um einen klassischen Kauf bei einem Nicht-Steuerpflichtigen handelt. Es wird empfohlen, bei der eidgenössischen Prüfung bei der Lektüre der Übungsangaben so vorzugehen.
Ich hoffe, Ihre Fragen beantwortet zu haben. Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.