Beispiel – Teil 3
Betrachten wir ein weiteres Mal Sandras Fall:
Tatsächlich verpflichtet uns Artikel 959a des Obligationenrechts zu einer Mindestgliederung der Bilanz, welche 5 Rubriken umfasst. Diese werden wir uns jetzt ansehen. Diese Mindestgliederung der Bilanz ist im Übrigen dann von Nutzen, wenn wir Unternehmen untereinander vergleichen oder ein Unternehmen im Zeitverlauf über die Jahre hinweg analysieren wollen. Das wird Gegenstand der Kapitel zur Finanzanalyse sein. Um dieser Struktur gerecht zu werden, müssen die Konten daher sowohl auf der Aktiv- wie auch auf der Passivseite der Bilanz in einer bestimmten Reihenfolge dargestellt werden.
Auf der Aktivseite stützen wir uns bei der Auflistung der Konten auf ein Liquiditätskriterium. Liquidität ist die Geschwindigkeit, mit der wir einen Vermögenswert in Bargeld umwandeln können. Man spricht hier auch von einer Anordnung nach Verfügbarkeit.
In unserem Beispiel ist zunächst das liquideste Konto das Konto „Kasse“, da es sich hierbei schon um Bargeld handelt.
An zweiter Stelle kommt das Konto „Bank“. Tatsächlich genügt es, zum Geldautomaten oder Bankschalter zu gehen, um das auf dem Konto verfügbare Geld in Bargeld zu verwandeln.
An dritter Stelle haben wir das Konto der „Vorräte“, die es uns ermöglichen, unser Endprodukt, in diesem Fall den Schmuck, herzustellen. Da das Ziel des Unternehmens ist, ihn zu verkaufen, gehen wir davon aus, dass der Schmuckvorrat einfach in Bargeld umzuwandeln ist.
Viertens werden die drei folgenden Konten etwas willkürlich klassifiziert: Das Konto „Mobiliar“ gilt in der Reihenfolge der leicht zu Bargeld zu machenden Konten als nächstes, gefolgt vom Konto „Informatik“, dann vom Konto „Fahrzeuge“.
Am wenigsten liquide sind hier schließlich die „Immobilen Sachanlagen“. Das rechtfertigt sich daraus, dass der Verkauf einer Immobilie vor einem Notar erfolgen muss, dass der Verkauf lange dauert, dass es schwierig sein mag, einen Käufer zu finden usw., was sich auf mehrere Monate, oder sogar Jahre summieren kann.
Da die Konten auf der Aktivseite nun in der richtigen Reihenfolge geordnet sind, können wir unsere Eröffnungsbilanz neu erstellen. Die Summe der Aktiva bleibt unverändert.
Zur Auflistung der Konten auf der Passivseite stützen wir uns auf das Kriterium der Fälligkeit. Die Fälligkeit entspricht dem Datum, an dem eine Rückzahlung erfolgen muss: eine kurzfristige Verbindlichkeit vor einer langfristigen Verbindlichkeit. Die erste Verbindlichkeit, die in unserem Fall zurückzuzahlen ist, ist das Darlehen von Christophe, das er uns für einen Zeitraum von 9 Monaten gewährt hat. Die zweite Verbindlichkeit ist der von der Crédit Suisse eingeräumte Kredit, der sich auf 10 Jahre erstreckt. Das letzte Konto, das schließlich zu berücksichtigen ist, ist das Kapital. Dabei handelt es sich um einen Sonderfall, denn es wird dem Eigentümer des Unternehmens nur bei Geschäftsaufgabe zurückbezahlt.
Nun tragen wir die Passivkonten in unsere Eröffnungsbilanz ein. Die Summe der Passiva bleibt unverändert.
Danach können wir ähnliche Konten in der Bilanz in Rubriken zusammenfassen.
Die ersten drei Konten der Aktivseite können so in der Rubrik „Umlaufvermögen“ zusammengefasst werden; die folgenden vier lassen sich zur Rubrik „Anlagevermögen“ zusammenfassen.
Das Umlaufvermögen stellt Aktiva dar, die nicht dazu bestimmt sind, langfristig im Unternehmen zu verbleiben, zum Beispiel ein 10-Franken-Schein oder Perlen aus dem Vorrat.
Das Anlagevermögen hingegen stellt Aktiva dar, die in der Regel länger als ein Jahr genutzt werden, zum Beispiel ein Bürostuhl oder ein Computer.
Auf der Passivseite findet sich das Fremdkapital, das dem Geld entspricht, das dem Unternehmen von externen Personen oder Organisationen geliehen wurde. Das Fremdkapital wird zweigegliedert: kurzfristig mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr und langfristig mit einer Laufzeit von über einem Jahr. Hier wird das Geld, das wir unserem Freund Christophe schulden, und das er uns für 9 Monate geliehen hat, als kurzfristiges Fremdkapital eingestuft. Das Darlehen, das uns die Bank für eine Dauer von 10 Jahren eingeräumt hat, wird unter dem langfristigen Fremdkapital geführt. Die anfängliche Einlage des Eigentümers oder der Eigentümer wird schließlich unter Eigenkapital erfasst.
Sie wissen nun, wie Sie eine Bilanz erstellen, die der Mindestgliederung nach Artikel 959a des Obligationenrechts entspricht.