Hintergrundinformationen
Das schweizerische Rechnungslegungsrecht erlaubt Kapitalgesellschaften, Rücklagen zu bilden. Diese Rücklagen werden in offene Rücklagen (auch offene Reserven), d.h. in der Bilanz sichtbare, und stille Reserven, d. h. nicht aus der Bilanz ersichtliche, unterteilt. Stille Reserven sind eine Besonderheit des schweizerischen Rechnungslegungsrechts. Auch wenn es angesichts der Rechnungslegungsstandards und des Rechts anderer Länder umstritten erscheinen mag, Vermögenswerte zu verbergen, bietet der Gesetzgeber den in der Schweiz ansässigen Unternehmen auf Bundesebene ein zusätzliches Maß an Vorsicht. Dies trägt dazu bei, die Stabilität der Unternehmen zu stärken, was ein Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist.
Auf Steuerebene verzichten die Behörden durch diese Rechnungslegungsmechanismen auf einen Teil ihrer Steuereinnahmen. Sie sind jedoch der Ansicht, dass diese in stillen Reserven verborgenen Vermögenswerte früher oder später bekannt werden werden, z.B. bei Vererbung oder bei Abtretungen der Gesellschaft. Wenn die Steuerverwaltungen also ausreichend Geduld haben, wie es in der Schweiz auf Bundes- und Kantonsebene der Fall ist, können sie die tatsächliche Bemessungsgrundlage für ihre Besteuerung feststellen.
Was ist eine stille Reserve?
Stille Reserven stellen die Differenz zwischen dem Bilanzwert (Bilanzzahlen) und den tatsächlichen Istwerten dar. Sie sind Teil des Eigenkapitals, vorbehaltlich der latenten Steuern, denen sie unterliegen.
Stille Reserven werden durch Unterbewertung eines Vermögenswertes oder durch Überbewertung eines Schuldwerts gebildet. Sie stellen somit die Differenz zwischen den in der Bilanz ausgewiesenen Eigenmitteln und den tatsächlichen Eigenmitteln dar, eine «künstliche» Abnahme des Eigenkapitals des Unternehmens.
Stille Reserven bedeuten daher in der Praxis einen zweistufigen Rechnungsabschluss des Unternehmens, intern und extern. Der interne Abschluss dient dabei als Grundlage für die Entscheidungsfindung und als Kontrollinstrument. Der externe Abschluss informiert die Öffentlichkeit, die Aktionäre oder die Gläubiger.
Um eine klare Unterscheidung zwischen Konten mit und ohne stille Reserven zu ermöglichen, ist es notwendig, zwei Versionen der Buchhaltung derjenigen Unternehmen zu führen, die stille Reserven gebildet haben. Man spricht von internen oder realen Konten (also mit den richtigen, um die stillen Reserven bereinigten, Zahlen) und externen oder veröffentlichten (also wegen der gebildeten stillen Reserven ungenauen) Konten. Dies gilt sowohl für die Erfolgsrechnung als auch für die Bilanz.
Rechtlicher Kontext
Die Bildung stiller Reserven ist nach dem Handelsrecht (Art. 960 OR) für alle Unternehmensformen zulässig. Ihre Bildung stützt sich auf das Vorsichtsprinzip.
Bei der Revision des Aktienrechts waren die Änderungen im Bereich stille Reserven Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten, da das bisherige Recht die Bildung und Auflösung stiller Reserven ohne besondere Bedingungen erlaubte.
Die Schweiz war in dieser Gesetzgebung isoliert, und Finanzanalysten, Banken, Aktionäre und Steuerbehörden forderten mehr Transparenz. Daraufhin wurde in der Schweiz eine Einigung über das revidierte Gesetz erzielt. Jede Auflösung stiller Reserven, die im Verhältnis zum Ergebnis wesentlich ist und mit dem Ziel erfolgte, ein günstigeres wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen, ist im Anhang der Bilanz gemäß Artikel 959c Abs. 1 Ziff. 3 OR anzuführen. Dies gilt nun für alle dem Rechnungslegungsrecht unterliegenden Unternehmen. Bei prüfungspflichtigen Unternehmen wird dieser Hinweis im Anhang von den Wirtschaftsprüfern geprüft.
Bildung von stillen Reserven
Die Bildung von stillen Reserven ergibt sich aus:
- einem auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Wert, der niedriger ist als der Wert, der auf dem Markt erzielt werden könnte, z. B. Unterbewertung von Geschäftsvermögen, Unterlassung der Neubewertung bei Wertsteigerung;
- einem auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesenen Wert, der den Betrag der Schuld oder den notwendigen Betrag der Rückstellungen übersteigt (Überbewertung von Schulden und Rückstellungen).
Das wirtschaftliche Bild, das in den externen Jahresabschlüssen zur Information Dritter vermittelt wird, ist daher verzerrt, weshalb dies im Anhang des Jahresabschlusses angegeben ist.
Vorteile der stillen Reserven
Der Hauptvorteil der Bildung stiller Reserven besteht darin, dass sie es dem Unternehmen ermöglichen, seine Einkünfte zu reduzieren und «etwas beiseite zu legen», was seine finanzielle Sicherheit erhöht, wenn es z. B. in Zukunft schwierige Zeiten durchläuft. Wie bei den in der Bilanz ausgewiesenen Reserven handelt es sich bei den stillen Reserven in keiner Weise um Währungsreserven.
Die Nutzung stiller Reserven ermöglicht es daher, ein Gleichgewicht her- und vorzustellen. Dies äußert sich besonders in:
- Einer Veröffentlichung ausgewogener Jahresergebnisse, auch in rezessiven Phasen
- Gewinnmanagement und -planung in der Dividendenpolitik
- Einem verhalteneren Dividendenwunsch der Minderheitsaktionäre
- Der Vermeidung übermäßiger Gehaltsforderungen von Mitarbeitern
- Einer langfristigen Optimierung der Steuerplanung
- Einer Abwendung zu hoher Steuersätze durch Vermeidung zu großer Progressionssprünge
- Der Möglichkeit der Auflösung im Falle einer Rezession
- Der Erhaltung von Arbeitsplätzen im Krisenfall
- Einer Abdeckung unvorhersehbarer unternehmensbezogener Risiken
- Einer Verfestigung der realen Eigenkapitalbasis
- Einer Stärkung der Position des Unternehmens im Vergleich zu seinen Wettbewerbern.
Nachteile der stillen
Reserven Stille Reserven können zur Manipulation der Ergebnisse verwendet werden, wie z. B.:
- Verstoß gegen den Grundsatz der Richtigkeit der Bilanz
- Falsche Bewertung des tatsächlichen Ergebnisses
- Nichteinhaltung der Kontinuität der Bewertung
- Falscher Vergleich mit dem Vorjahr
- Möglichkeit für den Vorstand, den Gewinn zu manipulieren
- Kompetenzverlust der Hauptversammlung, die nach dem Gesetz über die Verwendung des Gewinns entscheiden muss
- Infragestellung des Grundsatzes, dem zufolge der Abschluss ein möglichst genaues Bild der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens vermitteln muss
- Möglichkeit, Verluste ohne Wissen der Hauptversammlung zu verbergen
- Verlust der Transparenz des Auskunftsrechts des Aktionärs
- Schwierigere objektive Beurteilung des Wertes der Aktie.
Arten von stillen Reserven
Mindesteinlagen
Das Obligationenrecht setzt Bewertungsgrenzen. Art. 960 OR besagt, dass «das Anlagevermögen höchstens zu seinen Anschaffungskosten oder Herstellungskosten, abzüglich etwaiger notwendiger Abschreibungen, bewertet werden darf». Übersteigt der tatsächliche Marktwert des Objekts aufgrund der Umstände den Bilanzwert, werden automatisch stille Reserven gebildet: Mindesteinlagen.
Ermessensrücklagen
Die Bewertung von Ermessensrücklagen erfolgt durch den/die Leiter(in) der Buchhaltung des Unternehmens. Sie bestehen beispielsweise aus einer Erhöhung der Abschreibungen oder der Bildung von Rückstellungen und Rücklagen, die über den Bedarf des Unternehmens hinausgehen. Es handelt sich um Schätzungsreserven. Siehe 1. Anwendungsbeispiel unten
Verwaltungsreserven
Die Verwaltungsreserven werden durch die Unternehmenspolitik festgelegt und vom Verwaltungsrat beschlossen. Sie enthalten die zu Ersatzzwecken gebildeten Rückstellungen gemäß Art. 674 C ORund zusätzliche stille Reserven, die die Kontinuität der Finanzen des Unternehmens oder die Ausschüttung einer konstanten Dividende gewährleisten. Ihr Wert entspricht der Differenz zwischen dem Vorsichtswert und dem Buchwert.
Beispiele für die Verwendung von stillen Reserven
Bildung von stillen Reserven auf dem Anlagevermögen Um dies zu erklären, nehmen wir den folgenden Fall an:
Eine Firma besitzt eine Maschine, die im Jahr 20NN zu CHF 200’000.-, erworben wurde.
- Die erwartete anfängliche Abschreibungsrate beträgt 20 %.
- Der für die extern sichtbare Buchhaltung angewandte Satz beträgt 25 %.
Lassen Sie uns nun die Situation und die Lesbarkeit dieses Unternehmens analysieren:
- Im Jahr 20NN: Das Ergebnis der Gesellschaft wird um CHF 10’000.- durch eine stille Reserve reduziert.
Das Unternehmen wird daher die Möglichkeit haben, entweder diese stille Reserve zu belassen oder sie zur Erhöhung seines Gewinns aufzulösen.
- Im Jahr 20NN+1: Das Ergebnis wird erneut um CHF 10’000.- reduziert. Der Handlungsspielraum des Unternehmens wird auf CHF 20’000.- stille Reserven aus den letzten zwei Jahren erhöht.
- In den Jahren 20NN+2 und 20NN+3 werden die entsprechenden Ergebnisse um CHF 10’000.- reduziert und die gesamte verfügbare stille Reserve wird im Jahr 20NN+2 CHF 30’000.- und im Jahr 20NN+3 CHF 40’000.- betragen.
- Im Jahr 20NN+4 erfolgt die Auflösung der stillen Reserve von CHF 40’000.-, sofern sie nicht bereits aufgelöst wurde.
Bildung aus dem Umlaufvermögen
Um dies zu erklären, nehmen wir den Fall eines Warenbestands:
Das Unternehmen beschließt, seine Lagerbestände im Laufe der Jahre um 40 % unterzubewerten.
Die Daten lauten wie folgt.
- In 20NN: Anfangsbestand: 1’500; Endbestand: 2’000;
- In 20NN+1: Endbestand: 1’800;
- In 20NN+2: Endbestand: 2’100;
- In 20NN+3: Endbestand: 1’900.
Die Aufwandszahlen des Unternehmens werden sich wie folgt ändern:
- In 20NN: Reduzierung des Gewinns um 200 durch eine stille Reserve von + 200
- In 20NN+1: Erhöhung des Gewinns um 80 durch die Auflösung einer stillen Reserve von 80;
- In 20NN+2: Reduzierung des Gewinns um 120 durch eine stille Reserve von + 120;
- In 20NN+3: Erhöhung des Gewinns um 80 durch die Auflösung einer stillen Reserve von 80;
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